London ist international, auch dann, wenn einige es nicht gerne wahrhaben wollen. Die Einwohner dieser Metropole kommen aus aller Herrinnen Länder, und wer offen und neugierig ist, kann davon profitieren. Da ist zum Beispiel neuerdings ein neuer griechischer Delikatessenladen, dessen Schaufenster dazu einlädt, auch mal hineinzugehen und sich ein bisschen umzusehen. Ein Schild im Fenster weist auf die Angebote hin, die neue Kunden anlocken sollen: Montags gibt es immer frische Moussaka, dafür geht der Besitzer des Ladens ganz früh morgens schon zum Großmarkt, um die frischen Zutaten einzukaufen. Bis zur Lunchtime hat er mehrere große, tiefe Bleche davon fertig und verkauft seine Moussaka an die hungrigen Büroangestellten direkt vom Blech. Nur sehr selten mal bleibt etwas übrig. Mittwochs ist immer Weinprobe, da gibt es verschiedene Weine und dazu passende Snacks zum Verkosten. Allerdings wird er recht ungehalten, wenn sich da wieder mal Zentauren einschleichen, um Unmengen zu trinken und dann nichts zu kaufen, denn das können sie immer gut. Samstags gibt es frische hausgemachte Sesamriegel, hergestellt aus dem guten Sesam aus Thessaloniki und dem aromatischen Honig aus dem Süden Griechenlands. Unwiderstehlich. Der Laden ist noch recht neu, aber er läuft, man kann es nicht anders sagen.

Ob es nur die leckeren Angebote sind, die die Kunden strömen lassen, oder liegt es vielleicht auch an dem gutaussehenden Eigentümer des Ladens? Gregorios Katsikis zieht Frauen – und erstaunlich viele Männer - offenbar geradezu magisch an, ohne sich besondere Mühe zu geben. Das ist für die, die ihn besser kennen oder die ein Wesen als das erkennen können, was es wirklich ist, nicht weiter erstaunlich. Gregorios ist ein Satyr, denen man nicht umsonst diese ganz besondere Wirkung nachsagt. Moral ist denn auch nicht so sein Ding, im Gegenteil, er hat Spaß an der Verführung und liebt hin und wieder die ganz klassischen Orgien, für die seine Art bekannt ist. Vielleicht wirkt ja auch der griechische Wein oder seine hausgemachte Moussaka auf einige Leute anregend, aber für einige Leute sind vor allem die Substanzen, die er in einem kleinen Hinterzimmer seines Ladens verkauft, ziemlich interessant. Merkwürdige Namen wie Nymphenblätter, Nektar, Lustkröten, Zentaurenmoschus und andere stehen auf den gut verschlossenen Glasbehältern, die er dort aufgereiht hat. Ob die Kröten wirklich Kröten sind? Zumindest sehen sie sehr danach aus. Aber sie sollen ja nicht hübsch und lecker sein, sondern wirken.

Warum der Satyr sein sonniges Griechenland verlassen hat, um ausgerechnet nach London zu ziehen, das nur im Sommer manchmal warm genug ist, um ihn zufriedenzustellen, weiß vermutlich nur er selbst. Es wird natürlich geredet, aber das wird es ja immer. Wurde ihm seine große Satyrnsippe vielleicht langweilig? Immer dieselben Orgien, immer nur Nektar und Ambrosia, vielleicht brauchte er ja mal einen Tapetenwechsel? Wer weiß, wie lange er das schon mitgemacht hatte, 100 Jahre? 200? Mehr? Satyrn gehören zu den sehr langlebigen Fae, er dürfte also erheblich älter sein, als er aussieht. Da hatte er dann auch genügend Zeit, um diverse gute Gründe zu sammeln, mal das Land zu wechseln. Nun also lebt er mitten in London, hat eine hübsche Wohnung über seinem Laden und dürfte wohl auf der Suche nach ein paar Nymphen sein, die ihm das Leben angenehmer machen, denn was wäre ein Satyr ohne Nymphen? Oder hat er sogar schon ein, zwei dieser reizvollen Wesen mitgebracht, weil er nicht wusste, ob es sowas in London überhaupt gibt?

Gregorios wird also gesucht, um London mit Wein, Moussaka und mythischen Aphrodisiaka, aber auch traditionellen Giften (nach Satyrtradition, versteht sich) zu versorgen. Solange sich die merkwürdigen Todesfälle nicht häufen, dürfte er einigermaßen unbehelligt agieren können, er sollte es nur nicht übertreiben, damit er weiterhin unter dem Radar des Follys bleibt, wie die magische Polizei Londons genannt wird.